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AutorenbildBill Staub

Das sagt Birgit Troschel zum Thema


Im Rahmen meiner Zusammenarbeit mit goUnity (früher IVCG) durfte ich die erfahrene Unternehmens- und Karriereberaterin Birgit Troschel kennenlernen. Sie ist eine Koryphäe im Bereich Coaching und Beratung und hat täglich mit Menschen, Geschäftsleitungen und Teams zu tun, welche sich weiterentwickeln oder neu orientieren möchten. Über Jahre hinweg konnte sie viele Menschen darin begleiten, Ziele zu definieren und auch zu erreichen. Gleichzeitig berät sie Firmen im Prozess der Rekrutierung von passenden Führungskräften. Birgit Troschel studierte Arbeits- und Organisationspsychologie in Deutschland und arbeitet seit mehr als dreißig Jahren als Consultant, Coach und Businesstrainerin. Heute lebt sie mit ihrem Ehemann Alexander und ihren beiden verheirateten Söhnen in der Schweiz und engagiert sich in der Geschäftsführung der «Stettler Consulting AG» und im Vorstand der «goUnity». Ich durfte Birgit zum Thema «Ermutigung» befragen und bin dabei auf so manche spannende Erkenntnis gestoßen.


Bill Staub: Frau Troschel, Sie begleiten Führungskräfte darin, erfolgreich zu sein respektive erfolgreich zu werden. Sie wünschen sich, dass jede und jeder Erfolg haben kann und Erfüllung findet. Glauben Sie, dass jeder Mensch mit der richtigen Einstellung und einem Coach erfolgreich sein kann?


Birgit Troschel: Dafür ist natürlich erst einmal ganz wichtig zu definieren, worin für jede einzelne Person der «Erfolg» besteht. Das sieht ja immer anders aus. Für manche Coachees ist es ein Erfolg, sich weniger Sorgen zu machen und so besser zu schlafen. Zu Beginn jedes Coachingauftrags definieren wir deshalb die Coachingziele. So kann dann der Erfolg im Sinne der Erreichung der Coachingziele evaluiert werden. Falls das Coachingziel eine konkrete Veränderung an der Arbeitsstelle oder ein Stellenwechsel ist, kann ich aufgrund zahlreicher Erlebnisse sagen, dass die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs deutlich besser ist, wenn man sich professionell unterstützen lässt. Viele meiner Coachees in Development-Coachings, Outplacements oder Bewerbungs-Trainings sind erfolgreich: Sie erhalten die Stelle, die sie sich wünschen und können die Probezeit erfolgreich abschließen. Beruflicher Erfolg hängt von so vielen Faktoren ab, die nicht im Entscheidungsbereich der Person liegen. Jedoch zeigen meine Erfahrung und das Feedback meiner Coachees, dass man mit professionellem Coaching die persönlichen und beruflichen Ziele besser erreicht.


Bill Staub: Heute setzen viele auf Selbstoptimierung. Leute kommen zu Ihnen, weil sie sich entwickeln und besser werden möchten. Nun ist aber nicht jede Person ein Alphatier, nicht allen liegt es, den Lead zu übernehmen und sich in einer Gruppe durchzusetzen. Trotzdem möchten das die meisten können. Wie authentisch ist es denn noch, wenn sich jemand solche Eigenschaften künstlich antrainiert?


Birgit Troschel: Hier haben sich die Gesellschaft und auch die Arbeitswelt meines Erachtens weiterentwickelt. Das Alphatier entspricht in sehr vielen Bereichen gar nicht mehr dem «Schönheitsideal». Deshalb frage ich Coachees, die einen solchen Wunsch äußern, gleich zu Beginn: «Wie sympathisch sind Ihnen denn die Menschen, die solch ausgeprägte Alphatier-Eigenschaften haben?» Die neuen Leadership-Profile und auch die Anforderungen an Stellensuchende sind nicht mehr so Ich-stark (die «Ich-Stärke» setzt sich zusammen aus Selbstbehauptung, Selbstvertrauen und Selbstsicherheit). Man sucht eher nach reflektierten, moderierenden Führungspersönlichkeiten.

Die gewünschte Führungskraft ist heute eher ein Coach; jemand, der die Mitarbeitenden fördert und entwickelt und eben nicht dominiert. Hier finde ich ein Training durchaus sinnvoll, wenn so ein respektvolles, wertschätzendes und konstruktives Führungsverhalten entwickelt und dann gezeigt werden kann.

Google führte eine Studie mit dem Codenamen «Project Aristotle» durch, in dem Hunderte von Google-Teams untersucht wurden, um herauszufinden, warum einige Teams stolperten, während andere sehr erfolgreich waren. Sie stießen auf das Konzept der «psychologischen Sicherheit». Ich habe immer wieder erlebt, wie in Teambuilding-Veranstaltungen Führungskräfte und Mitarbeitende gelernt haben, respektvoller und freundlicher miteinander umzugehen, sich besser zuzuhören und zu respektieren, und diese Teams waren nicht nur zufriedener, sondern dann auch wirtschaftlich erfolgreicher. Dies setzt jedoch ein entsprechendes Selbstverständnis und Verhalten der Führungskraft und des Teams voraus.

Wir wissen schon seit den 60ern aus der pädagogischen Psychologie, dass wir schneller durch Belohnung und Zuwendung lernen als durch Demütigung, Angst und Bestrafung. Im Alltag werden Führungskräfte zunehmend mit Mitarbeitenden der Generation Y und Z konfrontiert, die schon im Elternhaus viel Ermutigung und Empowering erlebt haben und auf Druck und Kontrolle sehr irritiert und reaktant reagieren. Meine Coachees gehören teilweise zur Generation X, die sich schnell für ermutigend hält, weil sie denkt, ihre Mitarbeitenden deutlich mehr zu fördern und befähigen, als sie es selbst je erfahren haben. Diese werden jedoch von ihren jüngeren Mitarbeitenden immer noch als kontrollierend und mikromanagend erlebt. Hier sind eine gute Feedback-Kultur und Coaching notwendig und zielführend.

Heute sollen sich alle im Unternehmen sicher und wohl fühlen und montags gerne zur Arbeit gehen. Ein einfacher Weg, psychologische Sicherheit in Teams zu generieren, ist Ermutigung. Gott sagt in Sprüche 15,4: «Ein freundliches Wort heilt und belebt, aber eine böse Zunge raubt jeden Mut.» Wer hat nicht schon mal ein Kompliment erhalten und sich gleich viel besser gefühlt? Eine Ermutigung kostet uns gar nichts. Ein Lächeln auch nicht, und es kann so viel bewirken. Wir sind soziale Wesen und sind darauf angewiesen, uns angenommen und sicher zu fühlen, um uns zu entwickeln und konzentrieren zu können. Hier spielen wir Führungskräfte eine größere Rolle, als uns oft bewusst ist. McKinsey spricht diesbezüglich vom «Boss-Faktor»: Beziehungen zum Management sind gemäß ihrer aktuellen Studie der wichtigste Faktor für die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden, die wiederum der zweitwichtigste Faktor für das allgemeine Wohlbefinden der Mitarbeitenden ist. Ihrer Studie zufolge ist nur die psychische Gesundheit wichtiger für die allgemeine Lebenszufriedenheit. Leider zeigen Untersuchungen auch, dass die meisten Menschen ihre Vorgesetzten alles andere als ideal finden; beispielsweise gaben in einer aktuellen Umfrage 75 Prozent der Umfrageteilnehmenden an, dass ihr direkter Vorgesetzter der stressigste Aspekt ihrer Arbeit sei.

Also: Bitte lächeln … Wie aber soll ich ermutigen, wenn ich es selbst nie erfahren habe? Deshalb mein Appell an alle, die Ermutigung erfahren haben: Seid euch dessen bewusst und gebt dieses Geschenk fleißig an andere weiter. So schaffen wir ein konstruktives Umfeld, in dem man gerne arbeitet und gesund bleibt.

 

Bill Staub: Ein gutes Auftreten hat auch viel mit Selbstwert zu tun. Merken Sie einen Unterschied, ob jemand seinen Wert und seine Identität aus dem Glauben an einen wunderbaren Schöpfer definiert oder ob jemand auf sich alleine gestellt ist?


Birgit Troschel: Das wäre natürlich sehr schön, aber so erlebe ich es leider nicht. Die Bandbreite der Führungsfähigkeiten und -unfähigkeiten ist bei Christen genauso groß wie bei allen anderen Menschen. Allerdings führe ich seit mehr als 20 Jahren an einem christlichen Leadership College Trainings durch und habe dort unglaublich talentierte junge Leiter gesehen. Diese haben einen Vorteil: Weil in christlichen Gemeinden die «normalen» Mechanismen der Führung wie Geld, Druck und Beurteilung nicht gleich funktionieren und es auf andere Qualitäten ankommt, haben sie in ihrem Leben von klein auf eher gute Leadership-Vorbilder gehabt und sehr früh Leadership-Erfahrung in der Jugendarbeit und durch ihre eigene Mitarbeit sammeln können. Das erlebe ich nicht gleich bei Menschen mit anderem Hintergrund. Wenn ich meine hauptsächlich säkularen Coachees nach Vorbildern frage, erhalte ich oft die Antwort: «Ich könnte Ihnen viele Beispiele geben, wie ich nicht führen möchte, aber Vorbilder …?»

Ein weiterer Vorteil, den gläubige Führungskräfte haben, ist, dass sie sich beim täglichen Bibellesen oder durch die Predigt jeden Sonntag reflektieren und einen Spiegel vorgehalten bekommen. Ich bin selbst immer wieder erstaunt, wie der Heilige Geist auch bei mir toxische Charaktereigenschaften oder destruktives Verhalten konfrontiert. Die größte «Entwicklungshilfe» stellt für mich jedoch das Gebet dar. Wir können mit allem zu unserem Vater im Himmel gehen. Und: Uns ist vergeben. Gott hat eine geniale Fehlerkultur, die wir in Unternehmen gerade versuchen zu installieren. Das ist eine große Erleichterung. Da fällt mir der Satz «Christen sind nicht besser, aber sie haben es besser» ein. Das erlebe ich täglich. Von der Zukunft, in der alles perfekt sein wird, – dem Himmel – ganz abgesehen. Diese Perspektive setzt uns frei und tröstet uns. – Ich freue mich darauf!

Wichtig finde ich auch, gerade wenn man für andere Menschen verantwortlich ist, dass in unserer Identität als Kinder Gottes wir uns ja nicht nur selbst von Gott gewollt und geliebt wissen, sondern auch unser Gegenüber. Wir stehen in Verantwortung, mit unseren Mitmenschen und den uns anvertrauten Ressourcen liebevoll umzugehen. Ein Christ, der Jesus schon lange kennt, hat in der Regel gelernt, sich nicht so wichtig zu nehmen und sich vor allem zu entschuldigen, falls er/sie sich danebenbenimmt. Die Freiheit zu wissen, dass mein Wert nicht von meinem Rechthaben oder meinem Erfolg abhängt, sollte uns die Möglichkeit geben, barmherzig und freundlich zu sein. Hier fällt mir die Geschichte mit dem Hundertfrankenschein ein. Unser Pastor hat einmal auf der Bühne einen Hundertfrankenschein hochgehalten und gefragt, wie viel dieser wert sei. Danach hat er ihn zerknüllt und nach dem Wert gefragt, danach ist er auf ihm herumgetrampelt und hat dieselbe Frage gestellt. Die Identität als Kind Gottes gibt uns einen Wert, der völlig unabhängig von den Umständen ist. Gottes Zusagen in der Bibel, für uns zu sein und uns alle Dinge zum Besten dienen zu lassen, kann viel Druck und Sorgen lindern. Den Dialog mit Gott durch das Gebet, in dem ich ihm alles sagen kann, erlebe ich als zusätzliches Geschenk.


Bill Staub: Das meiste Gedankengut in der Psychologie ist bekannterweise humanistischer Natur – den Humanismus hält die Menschheit für den höchsten Standard der Wahrheit und Moral und lehnt den Glauben, Übernatürliches und die Bibel ab. Sie dagegen stehen offen zu Ihrem Glauben an Jesus Christus und engagieren sich für christliche Geschäftsleute – wie können Sie die Psychologie und den Glauben unter einen Hut bringen?


Birgit Troschel: Ich habe Arbeits- und Organisationspsychologie studiert. Es gibt viele psychologische Strömungen, die keine humanistische Grundlage haben. Allerdings habe ich mit dem Humanismus auch kein Problem. Liebe Christen, die es gut mit mir meinten, haben vor 40 Jahren versucht, mich vom Psychologiestudium abzuhalten. Heute sehen sie das – Gott sei Dank! – auch anders. Für mich steht das nicht im Widerspruch. Es gibt leider auch viele Christen, die auf psychologische Hilfe angewiesen sind und heute sehr froh sind, dass auch christliche Psychologen praktizieren. Gott hat die Menschen geschaffen – sein Wort ist die beste Gebrauchsanleitung für ein gelungenes Leben. ER ist der beste Psychologe. Ich rate jedem Christen, sich professionelle psychologische Hilfe zu suchen, wenn er sie braucht, und bin froh, dass es sie gibt.

Es gibt zahlreiche biblische Prinzipien, die sich in der psychologischen Forschung als bestätigt wiederfinden, so liegen uns aktuelle Forschungsergebnisse vor, dass Menschen, die spenden, glücklicher sind. Wir Christen nennen das den «Zehnten». Das moderne Prinzip des «Servant Leadership» oder auch den Level five Leader (Harvard Business), der demütig ist, finden wir bei Jesu Empfehlung: «Der Größte unter euch sei der Diener aller», aber auch in Jesu Verhalten, als er seinen Jüngern die Füße gewaschen hat. Die zurzeit viel beachtete, Resilienz erhöhende Meditation kennen wir Christen als «Stille Zeit» oder auch schon als Ruhegebet von Casian (300 n. Chr.). Die Wahrheit, dass wir nur frei sein können, wenn wir alles loslassen, erleben wir in der Taufe. Das Prinzip Vergebung, das vor allem in der Mediation zum Tragen kommt, funktioniert eigentlich nur, wenn wir Vergebung selbst erfahren haben. Jesu Kreuzestod hat uns alles vergeben, so können – ja müssen! – wir anderen auch vergeben. Siehe auch das Gleichnis vom Schalksknecht. Das, was wir als Kindness, Compassion und Mindful Leadership kennen, finden wir in der Bibel als Aufruf: «Einer achte den anderen höher als sich selbst», aber auch den gängigen Kindness-Spruch «May your life be …» kennen wir als Segen, etc. etc.


Bill Staub: In einem Interview haben Sie gesagt, dass Christen nicht unbedingt die besseren Menschen sind. Leider stelle auch ich das fest. Und dennoch hätten Menschen mit christlichen Werten und dem Glauben als Ressource eigentlich die besten Voraussetzungen. Wie können wir Christen von dieser Ressource profitieren und Gott im Alltag als Hilfe erleben?


Birgit Troschel: Als junge Frau habe ich sehr erfolgreiche Unternehmer getroffen, die Christen waren und mich beeindruckt haben. Sie erzählten von ihren persönlichen Niederlagen und wie sie bei den zum Teil dramatischen Widrigkeiten ihres Lebens von Gott unterstützt wurden. Wie ihnen ihr Glaube geholfen hat, ihre Ehe zu leben, mit schwierigen und undankbaren Mitarbeitenden umzugehen, trotz Verlusten ihr Business weiterzuführen, den Tod eines Kindes auszuhalten und weiterzuleben. Mein ganzes Leben wäre ohne dieses Zeugnis und das Angebot, ebenfalls Jesus nachzufolgen, komplett anders verlaufen. Viele meiner Coachees haben sehr schwierige oder unglückliche Ehen. Das hat Auswirkungen auf ihren beruflichen Alltag. Ich erlebte, dass ein Leben mit Jesus das größte Abenteuer und Geschenk ist. Ich bin seit 34 Jahren mit meinem Mann Alexander glücklich verheiratet. Das ist nicht selbstverständlich. Hier haben Vorbilder und das biblische Prinzip Vergebung sowie Treue sehr geholfen. Es hat auch geholfen, dass ich nicht alles von meinem Mann erwarte, sondern einen Vater im Himmel habe und Jesus. Er ist mein Alles. Jesus hält zu mir. Er geht mit mir. Er liebt und berät mich, aber ich darf auch Fehler machen. Meine Bestimmung ist, mit Gott zu leben und mit ihm im Dialog zu sein. Gebet ist eine «Superpower». Manchmal habe ich einen «Geistesblitz». Das spart sehr viel Zeit. Ich versuche immer «online» zu sein. Das sieht jeden Tag anders aus und ist sehr persönlich. Je mehr ich Jesus kennenlerne, desto begeisterter bin ich von ihm. Er ist die ultimative Liebe und Weisheit. Seine Beziehung zu jedem Menschen ist lebendig und deshalb sieht sie auch immer individuell anders aus.


Bill Staub: Vielen Dank für das Interview!

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